Alles fließt - Ein Blick hinter die Kulissen des städtischen Kanalnetzes
Mit einem ohrenbetäubenden Lärm springt die Pumpe an und drückt die 6000 Liter Abwasser aus den Sammelbehältern in die Druckrohrleitung. Das Pumpwerk in Rhüden ist das größte von insgesamt 18 Pumpstationen in Seesen und Ortsteilen, die die Abwässer zur Kläranlage Seesen befördern.
Da Rhüden geographisch tiefer liegt als die Kläranlage am Seesener Stadtrand, muss das Wasser mit gewaltiger Maschinenkraft die Steigung hinaufgedrückt werden. Ganze 12 Bar Druck baut die Pumpe auf, um das Abwasser abzutransportieren – zum Vergleich: Der Druck eines Feuerwehrschlauchs beträgt gerade mal sechs bis acht Bar Druck. Flösse das Wasser bergab, wäre ein Gefälle von zwei Prozent ausreichend, damit die Schwerkraft den Rest erledigt.
Verstecktes Kraftwerk unter Tage
Das von außen recht unscheinbare Häuschen lässt nicht ahnen, dass es darunter mehrere Meter in die Tiefe geht. Neben zwei großen Tanks mit einem Fassungsvermögen von je 3000 Litern sind es vor allem die vier starken Pumpen, die das Untergeschoss ausfüllen. Haben die beiden Tanks den entsprechenden Pegelstand erreicht, der instrumental gemessen wird, springt eine Pumpenstaffel an. Es dauert gerade mal eine Minute, bis die Wassersäule ins Leitungsnetz gepresst ist.
Rückschlagkappen verhindern den natürlichen Rückfluss des Abwassers. Ihre Funktion gleicht dem Ventil eines Fahrradschlauchs – unter Druck öffnet sich das Ventil, ohne Druck verschließt es sich. So kann die Luft – oder hier: das Abwasser – nur in eine Richtung strömen. Kommt neues Abwasser hinzu, wird es am anderen Ende der Leitung Etappe für Etappe nach vorn gedrückt, bis es an der Kläranlage aus dem Abwasserkanal hinausfließen kann. „Um die gesamte Strecke vom Pumpwerk in Rhüden bis zur Kläranlage zurückzulegen, braucht es 14 bis 17 Stunden“, erklärt der städtische Kanalmeister Heiko Doelfs. Unter Voll-last bewegen die Pumpen bis zu 5000 Kubikmeter Wasser in 24 Stunden.
Reserveeinheit für Wartungsarbeiten oder Schadensfall
Doch was passiert, wenn die Anlage turnusgemäß gewartet werden muss oder aufgrund eines Schadens unvorhersehbar und plötzlich ausfällt? Schließlich kommt ja ohne Unterlass neues Abwasser aus den Haushalten hinzu. Abstellen unmöglich…
„Planbare Wartungsarbeiten sind nicht das Problem“, berichtet Heiko Doelfs aus seinem beruflichen Alltag, „die sind ohnehin mehrfach pro Jahr an der Reihe.“ Zum einen gibt es in jedem Pumpwerk zwei separate Sammelbehälter, sodass problemlos eine Pumpeneinheit abgeschaltet werden kann, um die Wartung oder Reparatur durchführen zu können. Und selbst ein Stromausfall lässt sich mit dem leistungsstarken Dieselgenerator zeitweilig überbrücken.
Keine Hygieneartikel oder Essensreste über die Toilettenspülung entsorgen
Nur die Schäden, die durch unsachgemäße Entsorgung von Hygieneartikeln über die Toilettenspülung entstehen, sind ein ständiges Ärgernis. „Feuchttücher, Damenbinden, Windeln – selbst Wattestäbchen und Scheuerlappen – die in den Haushalten achtlos die Toilette heruntergespült werden, können zu Verstopfungen in den Pumpanlagen führen und im schlimmsten Fall einen Totalausfall verursachen“, warnt der Kanalmeister. „Bitte“, appelliert er deshalb an die Bevölkerung, „entsorgen Sie solche Gegenstände über den Hausmüll, und spülen Sie sie keinesfalls die Toilette hinunter!“
Auch Essensreste dürfen nicht in der Toilette entsorgt werden. Das darin enthaltene Fett lagert sich in den Rohren ab und lockt zudem Ratten und anderes Ungeziefer an. Fällt eine Anlage aufgrund eines Schadens aus, können die Reparaturkosten schnell mal in den fünfstelligen Bereich gehen – eine Ausgabe, die sich dann in den Abwassergebühren bemerkbar macht.