Rita Hayworth, Colette und ihre Puppenschwestern
Vor 70 Jahren erfand Elisabeth Paetz-Kalich ganz besondere Modepuppen / Ausstellung im Städtischen Museum
Das Städtische Museum Seesen zeigt ab sofort in einer kleinen Sonderausstellung besondere Modepuppen, die vor 70 Jahren von der Seesener Künstlerin Elisabeth Paetz-Kalich entwickelt und gestaltet wurden. Es ist eine Geschichte aus der Nachkriegszeit, eine Geschichte davon, wie einem Mangel mit Pragmatismus und Kreativität begegnet wurde. Zwar hatte die Währungsreform 1948 und die Gründung der Bundesrepublik 1949 eine Phase von politischer Stabilität und wirtschaftlichem Aufschwung für die nachkriegsdeutsche Gesellschaft eingeleitet, doch in vielen Alltagsbereichen war nach wie vor noch lange Einfallsreichtum und Erfindergeist gefragt.
So auch in vielen Textilgeschäften, wenn es um die ansprechende Präsentation ihrer Stoffe ging. „Und da habe ich eine Schaufensterpuppe entwickelt, eine bewegliche“, sagt Paetz-Kalich im Rückblick. Damals war sie erst 24 Jahre alt und lebte als Malerin seit Kriegsende wieder in Seesen. Ihr erstes Modell nannte sie Rita, nach der amerikanischen Schauspielerin Rita Hayworth. „Ein zauberhaftes Wesen, groß und blond. Die Inkarnation göttlicher Schönheit“, so schwärmte damals ein Zeitungsreporter über ihre „erstgeborene“ Modepuppe. Diese, wie auch die noch folgenden Modelle, bestand aus zwölf verschiedenen, in Form gesägten Sperrholzeinzelteilen, die durch Flügelschrauben miteinander verbunden waren. Dadurch konnten die Puppen lebensecht posieren wie richtige Menschen, sich beispielsweise verführerisch auf einer Couch räkeln, lässig die Arme verschränken oder graziös den Kopf neigen. Sie waren somit vielfältig und robust einsetzbar und dazu noch wesentlich billiger in der Herstellung als Schaufensterpuppen alten Stils. Für die lebendige Natürlichkeit sorgte die Bemalung durch die Künstlerin: „Ich malte ja naturalistisch, nach unseren damaligen Vorbildern, Schauspielerinnen, aber auch Künstlerinnen wie Colette“, erinnert sich Paetz-Kalich.
Ihre Idee ließ sie sich damals gesetzlich schützen, denn schon bald stieg die Nachfrage nach den Puppen weit über Seesen hinaus. So präsentierte sie ihre Erfindung damals auch auf der Hannover Messe. Dennoch blieben diese handgefertigten Puppen nur eine kurzlebige Übergangserscheinung, denn im aufstrebenden Wirtschaftswunderland wurden Schaufensterpuppen bald schon wieder industriell gefertigt. Drei seltene Originale haben sich noch erhalten und sind in der Ausstellung nun erstmals seit 70 Jahren wieder für die Öffentlichkeit zu sehen. Arrangiert und im Schaufensteratelierstil dekoriert von Elisabeth Paetz-Kalich selbst. Dazu sind noch historische Werbefotos weiterer Puppenmodelle und zeitgenössische Accessoires zu sehen. Die kleine Sonderausstellung steht somit nicht nur für ein Stück (Seesener) Alltagsgeschichte der Nachkriegszeit, sondern zeigt eine weitere und weithin unbekannte Facette einer kreativen Frau mit vielen Rollen: Kunstmalerin, „Mutter des Sehusa-Festes“ und Seesener Ehrenbürgerin. Sie selbst sagt dazu nur: „Ich weiß gar nicht, woher man die Ideen kriegt...“ Das Städtische Museum Seesen hat zurzeit coronabedingt geöffnet donnerstags bis sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr. Besuche außerhalb dieser Zeiten sind nach Vereinbarung möglich. Der Eintritt ist frei. Informationen unter Telefon 05381-48891 und E-Mail: museum@seesen.de.