Museum dreht wieder an der Uhr
Schon einmal, vor fast genau fünf Monaten, wurde an der Uhr gedreht: Das Städtische Museum Seesen hatte Ende Oktober anlässlich der Umstellung auf die Winterzeit in den frühen Morgenstunden zu einer Führung durch seine Ausstellungsräume eingeladen. „Wir halten die Zeit eine Stunde lang an“, so teilte damals Museumsleiter Dirk Stroschein mit. „Diese gewissermaßen aus der Zeit gefallene Stunde möchten wir nutzen, Interessierten die Möglichkeit zu geben, das Museum einmal ganz anders zu erleben und zu erkunden.“ Zugleich war diese Veranstaltung der Auftakt zu einer besonderen Ausstellung mit dem Titel „Normalzeit“.
Der Titel nimmt nicht nur Bezug auf ihre Laufzeit (die Winterzeit wird eigentlich Normalzeit genannt), sondern spielt auch an auf den Begriff und die allgemeinen Vorstellungen von Normalität: Während der Pandemie beispielsweise war häufig der Wunsch zu vernehmen, man wolle wieder „zurück zur Normalität“, also dem als vertraut und gewohnheitsmäßig stabil empfundenen Zustand zuvor. Dass irgendein Status quo überhaupt erhalten oder wiederhergestellt werden kann, widerspricht allerdings jeder Lebenserfahrung und ist auch auf „normale“ Zeiten bezogen illusionär. Der Mensch ist ein Zeitwesen und nur der Wandel der Welt, in der er lebt, ist stabil. Wahrgenommen wird dies allerdings besonders in (Ausnahme-)Situationen mit weitreichenden Wirkungen auch auf den Alltag des Einzelnen, die nicht erst seit jüngster Vergangenheit das Prädikat „historisch“ erhalten oder als „Zeitenwende“ markiert werden.
Museumsleiter Dirk Stroschein hatte sich für die Sonderausstellung vorgenommen, in 21 Kalenderwochenblättern auf vermeintlich „normale“ Ereignisse, Themen und Personen in der Vergangenheit Seesens zurückzublicken und sie in ihren zeitlichen Zusammenhängen prägnant zu beleuchten. Das geschah dann auch in Form einer „Mittagspause im Museum“ jeweils an jedem Dienstag einer Woche. Besucherinnen und Besucher konnten so den Aufbau der Ausstellung Woche für Woche mit der Vorstellung eines neuen Kalenderwochenblattes verfolgen und begleiten. Damit schlug das Seesener Museum in der Form der Ausstellungsaufstellung einen ungewöhnlichen Weg ein: „Normalerweise“ wird eine Ausstellung im Vorfeld kuratorisch konzipiert und präsentiert ergebnishaft Zusammengestelltes, das informiert, anregt und Dialog und Begegnung fördert. In diesem Fall startet die Ausstellung mit (fast) leeren Räumen, Rahmen und Vitrinen und präsentiert sich „vollständig“ nun erst als Abschluss.
Auch die Finissage wird nun in Form einer nächtlichen Veranstaltung stattfinden: Am Sonntag, 26. März 2023 sind Interessierte um 2 Uhr (Winterzeit) eingeladen, die „fertige“ Ausstellung anzuschauen und an einem Rundgang durch den Rest des Museums teilzunehmen.
Die Teilnahme ist kostenfrei, um Anmeldung wird gebeten unter Telefon: 05381-48891 oder E-Mail: museum@seesen.de.